UNSERE STORY

The Elevator Guy

Am Rande der Zivilisation, inmitten der Everglades im Süden Floridas, bringt der gebürtige Deutsche Marc Fest Führungskräften aus Gesundheits-, Umwelt- und Gesellschaftspolitik per Video-Konferenz bei, wie man professionelles Anliegen und persönliche Erfolgsstory auf das Format einer durchschnittlichen Fahrstuhl-Unterhaltung komprimiert.

«Drei Dinge sollten Sie beherzigen, wenn Sie Menschen dazu bewegen wollen, Ihre Sache zu unterstützen», weiß Marc Fest. Er sitzt vor einer Greenscreen in seinem abgelegenen Haus in den Everglades weit draußen vor den Toren von Miami, das Gesicht von sechs LED-Kameraleuchten angestrahlt. «Urgency», «specificity» und «emotion» lauten die Zauberwörter, deren Anfangsbuchstaben wie zufällig das Akronym «USE» ergeben. «Use USE», lautet denn auch häufig der Rat, den er seinen Klienten ans Herz legt. Für die kann die griffige Formel unter Umständen den Schlüssel zu einer millionenschweren Stiftungsförderung bereithalten.

Marc Fest

Marc Fest

An einem normalen Arbeitstag berät Marc Fest drei bis vier Klienten aus allen Winkeln der USA (gelegentlich auch aus anderen Teilen der Welt), nachdem er seinen belgischen Schäferhund Zeus auf der verlassenen, von Schlaglöchern gezeichneten Piste vor seinem Haus bei der allmorgendlichen Radtour Gassi geführt hat. Auf der Videoplattform Zoom empfängt er anschließend seine Kundschaft zum 60-minütigen Face-to-face-Gespräch. Deren Ziel: die effizientere Vermittlung der Bedeutung ihrer jeweiligen Arbeit zwecks Erhöhung von Sichtbarkeit und Förderungsmöglichkeiten.

«Elevator Speech Training» nennt Fest sein Business. Der deutsche Wikipedia-Eintrag bezeichnet das auch als «Elevator Pitch» bekannte Kommunikationstraining als «Methode für eine kurze Zusammenfassung einer Idee», mittels derer man potenzielle Förderer «von seiner Idee und vor allem von deren Wert überzeugen» kann. Und das alles «während der Dauer eines Aufzugaufenthalts».

Häufig wird Fest gefragt, wie lang so eine «Fahrstuhl-Rede» denn eigentlich sein sollte. Kommt drauf an, entgegnet er dann. Zwar zwingt die sprichwörtliche Begegnung im Fahrstuhl die Beteiligten dazu, sich kurz zu fassen – 60 Sekunden oder sogar noch kürzer; hat man dagegen die Möglichkeit, sich einem Publikum vorzustellen, etwa bei einem Podiumsgespräch im Rahmen einer Konferenz, so sind zwei bis drei Minuten ein guter Zielwert.

Den medialen Wechsel zum Online-Training via Zoom hat Marc Fest bereits Anfang 2019 vollzogen, also schon lange, bevor die Plattform aufgrund von Covid-19 einer breiteren Nutzerschaft vertraut wurde.

Oft sind seine Klienten «changemakers», Menschen, die Dinge verändern und innovative Ideen umsetzen wollen: ehemalige Beamte des Nationalen Sicherheitsrats beispielsweise, die sich heute in den Denkfabriken von Washington D.C. Problemen widmen wie etwa den Auswirkungen von Quantenprozessoren auf die Steuerungs- und Kontrollsysteme atomarer Waffen. Oder Vorstandsmitglieder und Präsidenten milliardenschwerer Investmentfonds, die sich für erschwingliches Wohnen engagieren und befürchten, Covid-19 könne zu einer «Pandemie von Kündigungen und Zwangsräumungen» führen. Oder auch Transgender-Aktivisten aus Guatemala, die selber auf dem “Flüchtlingskarawan” in die Vereinigten Staaten eingereist sind, um jetzt Immigranten ohne Papiere auf jenen furchtbaren Moment vorzubereiten, wenn sie von einem Beamten der Polizei- und Zollbehörde ICE aufgesucht und festgenommen werden.

Vor jedem Trainingsgespräch nimmt Fest auf einem schwarzen Ledersofa Platz, schließt die Augen und konzentriert sich zehn Minuten lang auf seine Atmung, «um einen klaren Kopf zu bekommen», wie er sagt. «Unmittelbar bevor des Zoom-Calls habe ich immer das Gefühl, heiliges Terrain zu betreten», erklärt Fest, «denn meine Klienten engagieren sich allesamt in thematischen Krisengebieten, in denen es ums Ganze geht, sei es nun Klimawandel, atomare Bedrohung oder Flucht und Migration. Es sind empathische, motivierte, idealistische Menschen, deren positive Energie Tag für Tag auf mich abstrahlt. Da habe ich ein grosses Glück, besonders in diesen aufgewühlten Zeiten.»

Zeus

Früher war Marc Fest in der Funktion eines Vice President of Communications für Institutionen wie die John S. and James L. Knight Foundation oder die in Miami beheimatete Orchesterakademie New World Symphony tätig. Inzwischen arbeitet er mit Stiftungen  zusammen, die den gemeinnützigen Institutionen, die sie unterstützen, bei der Entwicklung dynamischer und effizienter Kommunikationsstrategien behilflich sein möchten. Dazu zählen einige der bekanntesten philanthropischen Organisationen des Landes: neben der Knight Foundation unter anderem die Ford Foundation, die Carnegie Corporation, die JPB Foundation oder der Evelyn and Walter Haas, Jr. Fund. Hinzu kommen freilich auch kommerzielle Kunden wie der internationale Medienkonzern Axel Springer mit Hauptsitz in Berlin.

Fest ist auf Monate ausgebucht, und viele seiner Klienten sind erstaunt über die Fortschritte, die sie «in nur einer einzigen Trainingsstunde» machen. («Wenn doch alle meine einstündigen Meetings so produktiv verlaufen würden», zitiert Fest den Stoßseufzer eines zufriedenen Investors aus dem Wohnungsbau-Sektor.)

In Zeiten des US-weiten Shutdowns infolge der Covid-19-Pandemie wissen Fests Klienten die Möglichkeit zu schätzen, mit jemandem zusammenzuarbeiten, dessen Business sich längst auf das digitale Video-Training verlegt hat. So berichtet etwa ein Firmenkundenberater: «Ich hatte im Zuge der sich rapide verschlechternden Gesundheitslage mit Stress und Konzentrationsmangel zu kämpfen, doch das Training half mir dabei, mich mental wieder auf den Sinn und Zweck meiner Arbeit zu fokussieren.»

Das Online-Training ist nicht zuletzt auch deshalb so erfolgreich, weil sich Marc Fest im Vorfeld gewissenhaft vorbereitet. Bevor das Gesicht einer Klientin oder eines Klienten auf seinem Macbook Pro erscheint, hat er bereits die Websites, Linked-In-Einträge, Twitter-Feeds, Medienauftritte und sonstige Online-Quellen studiert, um sich bestmöglich auf sein Gegenüber einzustellen. «Nur wenn ich die Hintergründe kenne», beteuert Fest, «können wir unmittelbar in die Materie eintauchen.» Dabei ist ihm ausdrücklich bewusst, dass unterschiedliche Klienten auch unterschiedliche Bedürfnisse haben. Erfolgreiche Kommunikation dient für gemeinnützige Organisationen in der Regel dem Zweck, Fördergelder potenzieller Geldgeber zu akquirieren. Für den Analysten eines Think Tanks etwa kann dies bedeuten, Kongressabgeordnete über die Gefahren der Nicht-Erneuerung eines Rüstungskontrollvertrags mit Russland ins Bild zu setzen; für Schlüsselpersonen, die sich in der Nachbarschaftsarbeit engagieren, kann es wiederum darum gehen, Immigranten ohne Papiere in eine Organisation zu integrieren, die sich für eine Reform der Einwanderungsgesetze stark macht.

Wer eine erfolgreich ausgearbeitete Fahrstuhl-Rede in der Tasche hat, wird, davon ist Fest überzeugt, die eigene Projektidee weitaus selbstbewusster und effektiver vorantreiben. Für seine ausgesprochen divers aufgefächerte Klientel ist Fests Training deshalb so nutzbringend, weil es auf einem «Elevator Speech Framework» fußt. Damit meint Fest sein Neun-Punkte-Programm für erfolgreiche Kommunikation, das unter anderem Tips dafür bereithält, wie man Emotionen ausdrückt, die eigene Mission in einen Gesamtkontext bettet oder Selbstironie ins Spiel bringt. Letztlich ist Fests Framework ein Destillat dessen, was sich in Hunderten von Trainings-Szenarien bewährt hat: Jedes neue Training betrachtet er als einen Stresstest für seine Methode. «Und wenn mal etwas nicht funktioniert», führt Fest aus, «merken beide Parteien das sofort – einfach indem wir gemeinsam laut nachdenken.» Auch wird viel miteinander gelacht. Viele Klienten schätzen Fests Humor als erfrischendes und verbindendes Element.

Bei Punkt sieben des Frameworks («Personalisierung») kommt es indessen vor, dass Fests Klienten die Tränen in die Augen treten. Dann ermuntert der gebürtige Deutsche – er spricht mit einem leichten Akzent, den viele nicht einordnen können – seine Gesprächspartner dazu, die nächsten 15 Sekunden darauf zu verwenden, über die persönliche Bedeutung zu sprechen, die ihre jeweilige Arbeit für sie besitzt. Oft bemerkt Fest dann eine gewisse Tendenz, die eigenen Leistungen oder Erfahrungen in den Vordergrund zu stellen, doch zielt er auf etwas anderes ab: Er möchte erreichen, dass sie die eher schmerzlichen Hintergründe ihrer Arbeit ansprechen oder die eigene Verletzlichkeit thematisieren. Das erhöht vorübergehend die Gesprächsintensität und ist für manche Klienten durchaus nicht immer leicht zu bewältigen. Fest kennt die mitunter starke Wirkung solcher Momente: «Wenn man sich aus der Deckung hervorwagt und eigene Schwächen anspricht, öffnet sich in der Regel auch die Zuhörerschaft und zeigt sich emotional aufgeschlossener. Ich könnte ein paar spannende Beispiele aufzählen», fährt er fort, «wie Klienten den hohen persönlichen Stellenwert ihrer Tätigkeit zum Ausdruck bringen.» Doch selbstverständlich behandelt Fest alle Gespräche streng vertraulich.

Das seltsame Nebeneinander seiner vielfältigen Begegnungen via Zoom und seiner zurückgezogenen Existenz in den Everglades wird Marc Fest jeden Tag neu bewusst. Manchmal macht er sich etwas Sorgen, dass er dadurch ein bisschen wunderlich wird. «Da ist dieser gelbe Schmetterling», sagt er. «Er ist hier nun schon seit Monaten, jeden Tag, immer auf derselben Route. Wussten Sie, dass Schmetterlinge eine Lebenserwartung von bis zu einem Jahr haben? Ich nenne ihn ‘Yellow’. Wenn ich ihn sehe, sage ich ‘Hallo, Yellow’». Letztens habe er versucht, mit seiner Canon ein Photo von Yellow zu machen. Es kam verschwommen heraus. «Aber mir gefällt es trotzdem», sagt Fest. Nach einem kurzen Zögern setzt er hinzu: «Manchmal frage ich mich allerdings: Was ist mit Dir passiert, dass Du eine innere Beziehung zu einem Schmetterling hast?»

Yellow (verschwommen)

Artikel intern produziert von Elevator Speech Training.

Aus dem Amerikanischen von Marc Staudacher

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